Der Werkunterricht an der Waldorfschule orientiert sich an der inneren und äußeren Entwicklung der Schüler. Er versteht sich somit nicht ausschließlich als ein Unterricht, der handwerkliche Fähigkeiten vermittelt, sondern fordert eine latente Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt, die in der Unterstufe (Klasse 1 - 4) noch unbewusst, im Bereich der Oberstufe immer stärker als Reflexion in den Vordergrund gehoben wird.
Eine Vorstellung, die sich ein Schüler über das Aussehen seines Werkstückes gebildet hat, gilt es hier zu erüben und zu lernen in das zu bearbeitende Material „zu schreiben", umzusetzen. Mit wachsendem handwerklichen Geschick gelingt dieser Prozess immer besser. Die Tatsache, dass sich der einzelne Schüler immer mehr als ein Welt gestaltendes Individuen erlebet, ist ein maßgebliches Erziehungsziel der Waldorfpädagogik, nicht nur im Werken.
Offiziell beginnt der Werkunterricht an unserer Schule in der 5. Klasse aber bereits in der 1. Klasse finden sich im Hauptunterricht des Klassenlehrers regelmäßig erübte handwerkliche Tätigkeiten, wie z. B. das Plastizieren mit Ton. In der 3. Klasse beschäftigen sich die Kinder mit Handwerksberufen und stellen verschiedene kleine Werkstücke aus Holz, Metall und Ton her. In der 5. Klasse wird neben anspruchsvolleren Plastizierarbeiten das Schnitzmesser eingeführt, da die anatomischen Voraussetzungen in diesem Alter für das sichere Führen des Werkzeuges gegeben sind. Neben Gebrauchsgegenständen des Alltags, wie Schäufelchen, Löffel oder ähnlichem, wird anhand verschiedener Übungen die Vorstellungstätigkeit der Schüler herausgefordert und versucht an verschiedenen Hölzern umzusetzen. Ist ein sicherer Umgang mit den einfachen Werkzeugen entstanden, werden weitere, schwieriger zu handhabende Werkzeuge eingeführt, wie das Schnitzeisen und das Beil. In der siebten Klasse wird oft ein mechanisches Thema aufgegriffen. Die Schüler haben hierbei die Aufgabe z. B. einen Funktionsmechanismus herzustellen, der verschiedene Bewegungsrichtungen beinhaltet. In Anbindung an den Hauptunterricht tauchen hier die Hebelgesetze in ihrer praktische und teilweise auch theoretischen Auseinandersetzung auf.
Daneben orientiert sich diese Thematik an den inneren Entwicklungsaspekten der Schüler: Mit beginnender Pubertät verändert sich die Knochenmechanik. Durch das Wachstum des Skelettes ist nicht selten zu beobachten, wie die durch das Austarieren des Gleichgewichtes innerhalb des Körpers ein neuer Schwerpunkt gefunden werden will. Hinzu kommt, dass Schüler in diesem Lebensalter mit allergrößter Experimentierfreude Gegenstände ihrer Umgebung auf Hebelbeanspruchung prüfen. Dieser Auseinandersetzung wird durch das oben angeführte Unterrichtsbeispiel aufgegriffen und in eine praktische, sinnvolle Arbeit umgesetzt. Das Werken in der Oberstufe stellt größere Anforderungen bei der Planung und Durchführung eines Werkstückes. Hier werden einerseits Grundfertigkeiten des Tischler- und Metallhandwerkes vermittelt, andererseits der künstlerischen Gestaltung stärker nachgegangen: Ein Objekt soll zum einen handwerklich korrekt aber auch in seiner Gestaltung einem bestimmten Ausdruck gerecht werden, den der Schüler im Dialog mit dem Lehrer entstehen lässt und in einer weitgehend selbstständigen Arbeit umsetzt.